Abendroth schildert die Niederlage der Pariser Arbeiter im Juniaufstand von 1848 und die Fehleinschätzungen der damaligen Sozialdemokratie.

Im Regierungskompromiss, der durch die Februarrevolution zur Macht gebracht worden war, hatte sich als zunächst stärkste Partei eine Gruppierung entwickelt, die sich dann sozialdemokratische Partei nannte. Sie wurde von radikal-demokratischen Intellektuellen wie Louis Blanc geführt. Sie wollten, wie auch Teile der der von Ledru-Rollin geleiteten kleinbürgerlichen Republikaner, in der sich industrialisierenden Gesellschaft die Interessen der Arbeiterklasse mitvertreten.

Daher unterstützten sie auch die Forderung nach einem Recht auf Arbeit sowie die Errichtung von Nationalwerkstätten für Arbeitslose. Allerdings gingen die fortwährenden Konflikte in der Koalitionsregierung immer zuungunsten der sozialdemokratischen Partei aus, die an eine friedliche Fortentwicklung in immer neuen Kompromissen glaubte und laut Abendroth nicht begriff, dass jetzt schwere Klassenauseinandersetzungen unvermeidlich waren. Generell setzte man hier auf die Strategie, den Kapitalismus durch ständige Reformen in einem friedlichen Wandel zu zähmen und in eine nicht-kapitalistische Form hinüberwachsen zu lassen. Dazu gehört auch, folgt man Abendroth, dass sich in der sozialdemokratischen Partei die Illusion hielt, die alten Machtstrukturen seien mit der Februarrevolution endgültig überwunden worden. Und so hatte man in der Euphorie der Revolution vergessen, den Staatsapparat (Armee und Verwaltung) in die Hand zu bekommen.  Abendroth zeigt nun, dass damit das Scheitern bei der nächsten großen Auseinandersetzung, der Juniaufstand, vorprogrammiert war.

Vom 23. bis 26. Juni 1848 rebellierten die Arbeiter der Produktionswerkstätten und das Pariser Proletariat gegen die Entscheidung der Pariser Regierung, die Nationalwerkstätten zu schließen. Abendroth illustriert ihre Situation: Es ging für die Beteiligten um die Existenz, da die Arbeitslosen entweder verhungern oder sich zur Armee melden konnten, um dann möglicherweise in den Kolonialkriegen in Nordafrika das Leben zu verlieren.

Doch die französische Armee war wieder schießbereit: Armee und Bauern folgten wieder ihren Offizieren. Dagegen handelten die Arbeiter ohne militärische Führung. Die Blanquinisten, die die Führung hätten übernehmen können, waren ja nach ihrem gescheiterten Putsch politisch ausgeschaltet. Und so wurden die Pariser Arbeiter mit Abertausenden von Toten und Massenhinrichtungen niedergeschlagen.

Damit war auch die Zweite Republik faktisch erledigt. Sie war nun aus einer Kompromissrepublik zwischen den Klassen, die gemeinsam gegen die Monarchie rebelliert hatten, zu einer rein bürgerlichen Republik gegen die Arbeiterklasse geworden – abgestützt durch eine Mehrheit auf dem flachen Land.

Abendroth will mit seiner Darstellung zeigen:

Der fatalen Fehleinschätzung der Blanquinisten folgte nun eine Fehleinschätzung durch die sozialdemokratische Partei. Dadurch hatten sich die progressiven Parteien in Frankreich selbst ausgeschaltet. Und so musste der Versuch des Juniaufstands, die Ergebnisse der Februarrevolution zu retten, an den realen Machtverhältnissen scheitern.

So hatten sich mit dem gescheiterten Putsch die politischen Gewichte nach rechts verschoben. In der Verwaltung und in der Armee behielten die alten Eliten das Heft in der Hand und die sozialdemokratische Partei war nicht auf eine gewaltsame Auseinandersetzung eingestellt.

Die zentrale Botschaft Abendroths schimmert immer wieder durch: In einem Bündnis hätten die progressiven Parteien die Revolution retten können.

 

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Wolfgang Abendroth (1997): Einführung in die Geschichte der Arbeiterbewegung, Bd. 1, 2. Auflage, Heilbronn, 58f.